Internationale Tagung des Forums Kunst der Neuzeit des Deutschen Vereins für Kunstwissenschaft e.V.
„Die Kunst der ›langen‹ Konfessionalisierung (1517 – 2017)“
Augsburg, 7.–10. September 2016
Veranstalter: Deutscher Verein für Kunstwissenschaft e.V. (Forum Kunst der Neuzeit) in Kooperation mit Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke und Dr. Birgit Ulrike Münch sowie der Universität Augsburg, der Stadt Augsburg, den Kunstsammlungen und Museen Augsburg, dem Evangelisch-Lutherischen Dekanat Augsburg und dem Bistum Augsburg
Die geplante Tagung soll den aktuellen historischen und kirchengeschichtlichen Ansätzen Rechnung tragen, indem sie die Konfessionskulturen von 1517 bis 2017 erstmals in dieser breiten Spanne für die Kunstgeschichte in den Blick nehmen will.
Angefragt sind Fachvorträge (von 30 Min.) und Werkstattberichte (von 10. Min.) zu akademischen Abschlussarbeiten (wie Master / Magister, Dissertation), die in einem eigenen Forum vorgestellt werden sollen.
Referentinnen und Referenten, deren Vortrag angenommen wurde, erhalten einen Pauschalbetrag zur Deckung der Reise- und Übernachtungskosten, der gestaffelt nach Anfahrtsweg ausgezahlt wird.
Bitte senden Sie ein einseitiges Abstrakt sowie eine halbseitige Kurzvita und (wenn vorhanden) eine Liste der Publikationen bis zum 15. Dezember 2015 an: tagungsbuero-fkdn@o2mail.de.
Der Veranstalter wird Ende Januar 2016 das Programm zusammenstellen und die Bewerberinnen und Bewerber benachrichtigen.
(Das Bannerbild zeigt, bei gleichem Maßstab, zwei Details von Berliner Kirchenfassaden um 1900, eine davon ist mit dem Klosterziegel [= katholisch] und die andere mit dem Reichsziegel [= evangelisch] gemauert; siehe Andreas Tacke: „jung wie ein Parvenü“, Auswirkungen der Reformation auf die Baugeschichte Preußens. In: „Es thvn iher viel Fragen ...“. Kunstgeschichte in Mitteldeutschland, Hans-Joachim Krause gewidmet. Petersberg 2001, S. 239–244, oder Andreas Tacke: Klosterziegel contra Reichsziegel, Überlegungen zur Ikonographie und Ikonologie der Berliner Architektur und bildenden Kunst des späten Historismus. In: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums 1995, S. 141–159)
Kein Ort ist aufgrund seiner Geschichte für die geplante Tagung so geeignet wie Augsburg: Nach der Formulierung der ›Confessio Augustana‹ (1530), der Bekenntnisschrift der Lutherischen Kirche, wurde – veranlasst durch Kaiser Karl V. – das ›Augsburger Interim‹ (1548) verfasst, das eine Gleichberechtigung in der Ämterverteilung beider Konfessionen enthielt und im ›Augsburger Reichs- und Religionsfrieden‹ von 1555 gipfelte.
Im Geiste der Parität der Konfessionen sollen auf der Augsburger Tagung jeweils die zwei Seiten der Medaille betrachtet werden und dabei einmal die Rolle von Architektur und Bildender Kunst im langen Konfessionalisierungsprozess und zum anderen die Diskurse aus der fach- wie wissenschaftsgeschichtlichen Perspektive betrachtet werden.
Über Gattungs- und Epochengrenzen hinweg soll die Rolle von Architektur und Bildenden Künsten von um 1500 bis zur Gegenwart untersucht werden, wobei das Thema fokussiert wird auf Kunstdenkmäler im deutschsprachigen Raum. Der im Tagungstitel verwendete Begriff der Konfessionalisierung beschreibt dabei die parallel und auch teilweise querlaufende und ineinandergreifende Entwicklung von Kirche, Staat und Gesellschaft in den Jahrzehnten und Jahrhunderten nach 1517.
Die im Fach Kunstgeschichte trotz verschiedener Einzelstudien noch immer praktizierte Trennung der Künste in verschiedene ›konfessionelle Lager‹ hat für die Kunst des sogenannten ›Zeitalters der Glaubenskämpfe‹, wo teilweise noch immer zwischen progressiver gewerteter Reformationskunst und dem als rückschrittlich betrachteten altgläubigen Kunstschaffen unterschieden wird, den Nachteil, dass die Beiträge zur Modernisierung Europas noch immer nicht genügend Beachtung finden konnten. Auch wurde das in den vergangenen Jahren von den Geschichtswissenschaften erarbeitete Konzept der ›fließenden Übergänge‹, das unter anderem die Neue Kulturgeschichte entwickelte und das graduelle Entwicklungen und Pluralitäten zwischen den und innerhalb der Konfessionen sowie Modelle des gemischtkonfessionellen Agierens und Existierens analysierte, bislang nicht genug auf kunsthistorische Fragestellungen angewendet. Hier könnten unterschiedlichste mikro- wie makrogeschichtliche Phänomene aus dem Bereich der Kunst- und Kulturgeschichte in den Blick genommen werden.
Als Desiderat der derzeitigen Forschung des in vielen Bereichen bereits sehr gut erforschten Feldes ›Kunst und Konfession‹ ist daher gerade in der aktuellen Debatte die Bikonfessionalität und die Verortung innerhalb von Prozessen langer Dauer zu nennen: Kunst der Reformationszeit ist in ihrem Impetus und ihrer Ausrichtung nach nicht ohne die altgläubige Seite denkbar, aus der sie erwuchs, von der sie sich in den unterschiedlichsten Räumen distanzierte oder mit welcher sie wetteiferte. Gerade die polemische Druckgraphik beschreibt ein gegenseitiges Austarieren und einen oftmals im Streitgespräch geführten Dialog, der jedoch nicht ohne die Analyse der jeweiligen Gegenposition fruchtbar gemacht werden kann. Auf der anderen Seite endet die Konfessionalisierung laut der aktuellen historischen Forschung weitaus später als der Westfälische Friede 1648 (Stichwort: ›späte Konfessionalisierung‹). Der Begriff der Konfession beschreibt das kirchen- und religionspolitische Konfliktfeld, welches im 19. und selbst im 20. Jahrhundert jedoch noch keine klaren Grundstrukturen aufweist, sondern vielmehr von Transformationen geprägt ist. Gerade die vielfach diskutierten neuen Ansätze der Frühneuzeitforschung, der Kirchengeschichte wie Theologie lassen sich in paradigmatischer Weise anhand der überlieferten künstlerischen Artefakte prüfen und ergänzen. Die geplante Tagung möchte daher den aktuellen historischen und kirchengeschichtlichen Ansätzen insofern Rechnung tragen, als sie die Konfessionskulturen von 1517 – 2017 erstmals bewusst in dieser breiten Spanne für die Kunstgeschichte in den Blick nehmen wird. Fragen nach Wechseln innerhalb des Kirchenraumes, Fragen nach Konfessionswechseln der jeweiligen Obrigkeit und die Auswirkungen von Krise(n) auf den Künstler, Fragen nach der konfessionellen Ausrichtung eines Künstlers und seines Auftraggebers sind dabei ebenso essentiell wie auch die aktuell erstmals grundlegend angegangene Frage nach Begrifflichkeiten des ›alten‹ und ›neuen‹, ›wahren‹ und ›falschen‹ Glaubens für das Kunstschaffen relevant sein werden, die im 16. Jahrhundert ebenso wenig konkret waren wie der Terminus ›Reformation‹ selbst. Auch der Begriff der Konfession ist eine Schöpfung des 19. Jahrhunderts, wie überhaupt die Künste im Historismus und der Moderne für die Umschreibung konfessioneller (und weltanschaulicher) Standpunkte in Anspruch genommen werden.
Die Tagung möchte bezüglich ihres weiten Spektrums die Frage stellen, welcher Stellenwert Kunstwerken innerhalb dieses langen Konfessionalisierungsprozesses vom Flugblatt und Altar, vom Altargerät bis zur Schulbuchillustration zukommt, welche Zäsuren, Kontinuitäten und teilweise wiederholte Wechselprozesse das Kunstschaffen beeinflussten. Nicht nur im Hinblick auf Künstler wie Cranach oder Caspar David Friedrich muss sich die Kunstwissenschaft die Frage stellen, inwiefern direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst konfessionsgebundene Forschung betrieben wurde und auch wird. Inwiefern kam es dadurch gerade im 19. Jahrhundert, aber auch später, zu bestimmten Schwerpunktthemen und zu Kanonbildung(en)? Und in welchen Bereichen wurden durch ›konfessionelle Scheuklappen‹ Zusammenhänge und Wege verstellt, die ›späte Konfessionalisierung‹ als solche zu erkennen?
Der „Deutsche Verein für Kunstwissenschaft e.V.“ möchte anlässlich des Reformationsjubiläums und in bewusster Auseinandersetzung mit der aktuellen Forschung epochenübergreifend die Prozesse langer Dauer im genannten Forschungsfeld untersuchen und schließt deshalb bewusst auch das Spätmittelalter mit ein.
Hinsichtlich des breiten Untersuchungszeitraums von 500 Jahren und der Bikonfessionalität nimmt die Tagung ein Alleinstellungsmerkmal in der nicht überschaubaren Fülle an Aktivitäten zum Reformationsjubiläum in Anspruch.
Bewusst ist sie auf den Herbst 2016 gelegt worden, um die Möglichkeit zu bieten, die in den vergangenen Jahren aktuellen Forschungen zur Reformation als zentralem, sämtliche Lebensbereiche massiv verändernden Prozess zu analysieren und zu diskutieren.
Mögliche Vortragsthemen könnten aus den folgenden Bereichen stammen:
• Die Konfessionalität des Artefakts
• Die Herausbildung neuer Gemäldegattungen im Zuge des Konfessionalisierungsprozesses
• Konfessionsgebundenheit des Kirchenraums
• Bildertheologie der unterschiedlichen Glaubensrichtungen und ihr Abgleich mit der Realität
• Künstlersozialgeschichte von Künstlern, Auftraggebern und Mäzenatentum im Spannungsfeld konfessioneller Debatten
• Freiwillige und unfreiwillige Konfessionswechsel als Krise der Künste (Ortswechsel und Berufswechsel)
• Ikonologie des Glaubenskampfes (Hugenottenverfolgung, Calvinismus)
• Ikonoklasmus in eurozentristischer und globaler Perspektive
• Material Culture, künstlerische Techniken und Global Art in Bezug auf Konfessionalisierung
• Konzepte von Heiligen- und Märtyrerverehrung im überkonfessionellen Blickwinkel
• Wissenschaftsgeschichte und Bildungsforschung zur konfessionsgeprägten Kunstwissenschaft, Begrifflichkeiten der Konfessionskulturen
• Konfessionalisierung im musealen Kontext, in Museumsreform und in der Speicherung und Archivierung von Wissen
• Die Augsburger Fuggerei und Vergleichsmodelle von Armen- und Krankenfürsorge im konfessionellen Kontext.
Die Tagung findet an den unterschiedlichsten, dem Tagungsthema angepassten geschichtsträchtigen Orten der Konfessionskulturen in Augsburg statt. Denn neben der Universität sind das vor allem Veranstaltungsräume in der Stadt: Der Goldene Saal im Augsburger Rathaus, der Augustana-Saal des Evangelischen Forums Annahof bei Sankt Anna oder der Rokokofestsaal im Schaezlerpalais. Damit kann nicht nur eine breite Öffentlichkeit mit einbezogen werden, sondern die Tagungsorte spiegeln auch vom Spätmittelalter, über Renaissance und Barock bis hin zur Moderne die 500 Jahre wider, die hinsichtlich der Bildenden Kunst Gegenstand der Tagung sein sollen.
Das Veranstaltungsformat folgt der Intention, neben Fachwissenschaftlern ein breites Publikum anzusprechen sowie den Einbezug des wissenschaftlichen Nachwuchses: Panel unterschiedlicher Formate, einführende und die gesamte Zeitspanne von 1517 bis 2017 umfassende Plenarvorträge werden ebenso angeboten wie ein Forum für den wissenschaftlichen Nachwuchs, in dem akademische Abschlussarbeiten (wie Master / Magister, Dissertation) in Kurzvorträgen vorgestellt werden können.
Der „Deutsche Verein für Kunstwissenschaft e.V.“ (DVfK) wurde auf Anregung von Wilhelm von Bode, dem damaligen Generaldirektor der Berliner Museen, 1908 gegründet und ist eine traditionsreiche Vereinigung von Kunsthistorikern und Kunstinteressierten zur Förderung der Erforschung und zur Publikation der Kunstdenkmäler im deutschsprachigen Raum.
Der Deutsche Verein für Kunstwissenschaft trug durch seine wissenschaftlichen Leistungen seit seiner Gründung entscheidend dazu bei, den Rang der Kunstwissenschaft in Deutschland und im Ausland zu festigen und die Bedeutung der deutschen im Kontext der europäischen Kunst im Rahmen der internationalen Wissenschaft und des allgemeinen Bewusstseins von den kulturellen Werten der Vergangenheit zu verdeutlichen.
Über 300 Publikationen hat der Verein inzwischen herausgegeben; viele gehören zu den Standardwerken des Faches Kunstgeschichte, das er durch sein über ein Jahrhundert andauerndes Wirken mitgeformt hat.