Stand / Current status: Mai / May 2016

Das Projekt / The project

Entgrenzungen: Künstlerausbildung der Gilden in Zentraleuropa bis zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches


Redefining Boundaries: Artistic training by the guilds in Central Europe up to the dissolution of the Holy Roman Empire


Das Projekt untersucht auf breiter Quellenbasis die Künstlerausbildung im Zentraleuropa der Vormoderne.
Bis zum Ende des Heiligen Römischen Reiches erlebte das Untersuchungsgebiet (Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik und Weißrussland) eine wechselnde Ausdehnung mit variierenden Grenzverläufen und verschiedenen Sprach- und Rechtsräumen. Ganz im Sinne der aktuellen Forschung zur kulturhistorischen Geographie wird diesen Veränderungen Rechnung getragen. In Anlehnung an die in den letzten Jahren von den Nachbardisziplinen erarbeitete Historische Netzwerkforschung und an die damit verbundene Dynamik von Netzwerken und Personenverbänden soll das einseitig negative Bild des Zunftwesens darüber hinaus überprüft und fallweise revidiert werden: Das Zunftwesen wird gemeinhin als weitläufiges, engmaschiges Netzwerk begriffen, das künstlerischen Ideenaustausch und Künstlermigration ermöglichte sowie Kunstmärkte konstituierte.

Mit dem länderübergreifenden Forschungsansatz soll der ideengeschichtlichen Vorstellung vom Künstler erstmals ein sozialhistorisches Modell gegenübergestellt werden. Bis um 1800 war der Künstler seitens seines Berufes Teil der europäischen Ständegesellschaft, er war – mit Ausnahme des Hofkünstlers – zunftgebundener Handwerker. Die zahlreichen Versuche, die Künstlerausbildung allmählich mit Theorie anzufüllen und in Akademien zu transferieren, gelangten im Untersuchungsgebiet erst mit der Auflösung der Zünfte durch Napoleon zur Umsetzung. Mit der Erschließung sämtlicher deutschsprachiger Zunft- und Handwerksordnungen Zentraleuropas wird der Forschung eine bislang wenig beachtete Quellengattung höchster Relevanz zugänglich gemacht. Ziel ist zum einen ein nach Städten gegliedertes historisch-kritisches Corpus der Quellen, zum anderen – hierauf aufbauend – die Analyse der sozialhistorischen Kontexte. Dazu zählen ebenso die Synergieeffekte von >Kunstwissen< und Ausbildungspraktik wie die soziale und räumliche Mobilität der Künstler oder die genderspezifischen Inklusionen und Exklusionen im vormodernen Werkstattbetrieb. Im Sinne eines concept of globalization kann das Projekt topographisch, methodisch und inhaltlich in jede Richtung Grenzen überwinden und das Fundament für eine flächendeckende Analyse der gesamteuropäischen Künstlerausbildung legen.

 

The cross-border research approach thus complements for the first time the historical idea of the artist as a model in social history. Up to about 1800, the artist was part of the hierarchical European society; except for the court artist, he was an artisan bound to the guilds. Numerous attempts to institutionalise artistic training and transfer it to academies succeeded only when the the guilds were dissolved under Napoleon. An edition of all German-language guild and artisan regulations in Central Europe will make a hitherto little noted source type of major relevance accessible to research. One aim is to assemble a critical corpus of historical sources structured according to cities, a second, to analyse the social historical contexts, among them, synergy effects of “artistic knowledge” and training practices, the artist’s social and territorial mobility and the gender-specific inclusions and exclusions in pre-modern workshop operations. In terms of globalisation, the project can overcome topographical, methodological and content-related borders in all directions and lay the foundation for a comprehensive analysis of all of European artistic training.