Philipp Hainhofer

Projekt / Project 2017 bis / to 2029

Kommentierte digitale Edition der Reise- und Sammlungsbeschreibungen Philipp Hainhofers (1578–1647)

 

Annotated digital edition of Philipp Hainhofer’s travel and collection accounts

Der Augsburger Philipp Hainhofer ist die bedeutendste Vermittler-Persönlichkeit für Kunst sowie politische und kulturelle Information in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts nördlich der Alpen. Als ›cultural broker‹ des 17. Jahrhunderts überschritt er beständig konfessionelle, politische und ständische Grenzen. Zwischen seinen geschäftlichen, diplomatisch-politischen und gelehrten Korrespondenzen, seinen für höfische Rezipienten konzipierten Reise- und Kunstbeschreibungen, seinen komplexen Kunstkammerschränken und seinem Handel mit Kunstwerken, anderen Luxusgütern, Büchern und Handschriften bestanden vielfältige Austauschprozesse, die Inhalt und Struktur des jeweiligen Handlungsfeldes konturierten. Auf diese Weise schuf Hainhofer geordnete Mikrokosmen als Antwort auf eine auseinanderdriftende konfessionelle und politische Welt am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges.

  Die hier genannten, zahlreichen Arbeitsfelder Hainhofers konvergieren in seinen Reiserelationen. Sie bilden, neben den Briefen, den Kern seines schriftlichen Nachlasses und einen enormen Fundus für die kunsthistorische und historische Frühneuzeitforschung sowie für benachbarte Disziplinen, und dies mit vielfältigen Facetten wie der Erforschung von Residenzen- und Sammlungen, Hof-, Adels- und Zeremonialkultur, Reise- und Kunstliteratur, kulturellem Austausch und materieller Kultur, Diplomatie- und Politikgeschichte sowie von Reisebeschreibung als Selbstzeugnis u.a.

  Mit diesem Projekt sollen die Reiserelationen Hainhofers erstmals als eine kommentierte, digitale Edition vollständig herausgegeben werden. Geplant ist eine moderne und wissenschaftlich anspruchsvolle Präsentation der Reisen mit Wiedergabe der Originalseiten, Volltext, umfangreichen kritischen Apparaten und Sachkommentaren in Text und Bild sowie kartographischen Beigaben.

  Über diese bereits seit Langem gewünschte komplette Tiefenerschließung von Hainhofers Reiserelationen hinaus soll das Projekt zudem zwei konzeptionell-strukturellen wissenschaftlichen Leitzielen dienen. Es sind dies zum einen eine Schärfung der Frage nach Funktion und Bedeutung kultureller Vermittlung und Übersetzung in einem innereuropäischen Raum in Zeiten erhöhter politischer und konfessioneller Auseinandersetzungen, zum anderen der Versuch eines erneuerten Ansatzes von Interdisziplinarität, bei dem die unterschiedlichen Fachrichtungen in gleichen Maßen integriert sind.

 

The Augsburg citizen Philipp Hainhofer was the leading agent for art objects as well as for political and cultural information in the first half of the 17th century north of the Alps. As ›cultural broker‹ of the 17th century he constantly crossed denominational, political and social boundaries. There was a versatile exchange between his mercantile, diplomatic-political, and academic correspondence, his travel accounts and description of artworks for courtly recipients, his complex ›Kunstkammerschränke‹ and his trading with art objects, other luxuries, books and manuscripts, which outlined content and structure of the respective areas of activity. In this manner Hainhofer created classified microcosms as an answer to a denominational and political world drifting apart on the eve of the Thirty Years’ War.

  Hainhofer’s above mentioned spheres of action were converged in his travel accounts. They form the core of his written inheritance and provide a large store for art historical and historical research in the early modern period as well as related disciplines and this in a rich diversity concerning the study of residencies, collections, courtly, nobility, and ceremonial culture, travel and art literature, cultural exchange and material culture, history of diplomacy and politics, and travelogues as ego-document just to mention a few.

  This project will present Hainhofer’s complete travel accounts for the first time in an annotated digital edition. It is intended to provide a modern and complex documentation of his travels with renditions of the originals, full text, extensive critical instruments and annotations of text and image and cartographic addendum.

  Besides the long-awaited complete and systematical indexing of Hainhofer’s travel accounts, the project serves two conceptual-structural academic approaches. One is that it aims at focusing on the question of function and importance of cultural agency and transfer in the pan-European area during increased political and denominational conflicts, the other is that it wishes to apply an interdisciplinary approach in which the different fields of study are combined to the same degree.

 

Gefördert durch die / Sponsored by

 

Das mit ca. 2,9 Millionen Euro geförderte und 12 Jahre (von 2017 bis 2029) laufende DFG-Langfristvorhaben wurde Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke (Lehrstuhl für Kunstgeschichte der Universität Trier) zusammen mit Prof. Dr. Peter Burschel (Direktor der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel) bewilligt.

  Unter ›Langfristvorhaben‹ versteht die DFG Forschungsvorhaben in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die einer kontinuierlichen Förderung von mindestens sieben und höchstens zwölf Jahren Dauer bedürfen und bei denen aufgrund ihrer zentralen wissenschaftlichen Bedeutung, ihrer gründlichen Vorbereitung und durchdachten Planung sowie ihrer professionellen Leitung die DFG eine längerfristige Förderung für begründet hält und mit der Anerkennung als Langfristvorhaben fördert.

  Das im Wesentlichen an der Herzog August Bibliothek installierte Projekt (Editionswebsite) kooperiert mit der von Professor Tacke 2011 aus Mitteln seines mit 1,7 Millionen Euro dotierten Wissenschaftspreises der Europäischen Union („ERC Advanced Grant“) gegründeten „Trierer Arbeitsstelle für Künstlersozialgeschichte“ (TAK). Intern leiten wird das DFG-Langfristvorhaben der Braunschweiger Hainhofer-Spezialist Dr. Michael Wenzel, mit dem zusammen Professor Tacke das Projekt in den letzten Jahren entwickelt und den Antrag geschrieben hat. Das Projekt ist in vier Förderphasen unterteilt, die jeweils positiv evaluiert sein müssen, bevor eine Fortsetzung genehmigt wird.

In dem wissenschaftlichen Beirat wirken mit: Prof. Dr. Wolfgang Augustyn (Zentralinstitut für Kunstgeschichte, München), Prof. Thomas DaCosta Kaufmann, Ph.D. (Princeton University), Dr. Marika Keblusek (Universiteit Leiden), Prof. Dr. Ulinka Rublack (University of Cambridge), Prof. Dr. Kim Siebenhüner (Universität Bern)

 

 

Gemälde, um 1615 (Öl auf Holz, 39,5 x 45,4 cm), von Anton Mozart (1572–1625) mit der Darstellung einer fiktiven Übergabe des Pommerschen Kunstschrankes in Augsburg durch Philipp Hainhofer (1578–1647) und die beteiligten Augsburger Künstler an den seit 1606 regierenden Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin (1573–1618) und seine Gemahlin Sophia, geb. Herzogin von Schleswig-Holstein-Sonderburg (1579–1658).

Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz (© bpk / Kunstgewerbemuseum, SMB / Saturia Linke)