Programm Irsee 2016

 

Künstlerinnen / Women Artists

Neue Perspektiven auf ein Forschungsfeld der Vormoderne / New Perspectives on the Research Area of the Pre-Modern Era

 

Kunsthistorisches Forum Irsee / 4. Frühjahrsakademie

 

18.–20. März 2016

 

Der Begriff der ›Künstlerin‹ schließt im Rahmen dieser Tagung erstmals sämtliche künstlerischen Tätigkeitsbereiche ein: vom Dilettieren im Verborgenen hin zu unternehmerischem Broterwerb, etwa als Werkstattleiterin, oder im höfischen Kontext bzw. an Kunstakademien.

Trotz intensiver historischer Genderforschung verläuft die Beschäftigung mit den Viten wichtiger Künstlerinnen weit weniger produktiv. Schon vor Jahrzehnten wurden die kulturellen Praktiken offen gelegt, die Künstlerinnen zu einem ›Sonderfall‹ degradierten und ›unsichtbar‹ machten. Die vereinzelte Aufmerksamkeit, die einige Persönlichkeiten fanden, ändert daran nichts. Für die Künstlersozialgeschichte bleibt das Thema der vormodernen Künstlerin ein hochinteressantes Forschungsfeld.

Die Tagung schließt mit einem Ausblick auf die Situation der Künstlerinnen des 20. bzw. 21. Jahrhunderts.

 

 

FREITAG, 18. März 2016

 

18.00 Uhr

Abendessen

 

19.00 Uhr Konzert

Begrüßung durch die Veranstalter,

Einführung in das Werk von Barbara Strozzi (1619–1677)

 

Ensemble "Les méchants"

Werke aus dem Madrigalbuch von Barbara Strozzi (op.1: Il Primo libri di Madrigali, Venezia 1644)

 

 

SAMSTAG, 19. März 2016

 

9.00-10.30 Uhr

Einführung in das Tagungsthema durch die Veranstalter

 

Prof. Dr. Christina Strunck (Universität Erlangen, Kunstgeschichte)

Die Künstlerin als Sammlerstück? Weibliche Karrierestrategien an den Höfen der Frühen Neuzeit

 

Ph.D. Tanja L. Jones (Assistant Professor, Department of Art and Art History, The University of Alabama)

Makers: Women ‘Artists’ in the Early Modern Courts

 

10.30 Uhr

Kaffeepause

 

11.00-12.30 Uhr

Dr. M A Katritzky (Barbara Wilkes Research Fellow in Theatre Studies in the English Department of The Open University, Milton Keynes)

Virtuous needleworkers, vicious apes: the embroideries of Mary Queen of Scots and Bess of Hardwick

 

Ph.D. Martha Moffitt Peacock (Professor, Brigham Young University)

The Subversive Samplers of Dutch Women Artists

 

12.30 Uhr

Mittagessen

 

13.30-14.30 Uhr

Klosterführung mit Besuch der „Euthanasie“-Gedenkstätten

Dr. Markwart Herzog (Irsee)

 

14.30-16.00 Uhr

Danica Brenner M.A. (Darmstadt)

Zunftmeisterin oder Ausgeschlossene? Frauen im Lichte normativer Malerzunftquellen

 

Dr. Heiner Krellig (Freiberuflicher Kunsthistoriker, Berlin und Venedig)

Künstlerfrauen des Settecento veneziano: Angela Carriera Pellegrini, Angela Fontana Marieschi Albotto und Cecilia Guardi Tiepolo

 

16.00 Uhr

Kaffeepause

 

16.30-18.00 Uhr

Dr. Valentine von Fellenberg (Première assistante Section d'histoire de l'art Université de Lausanne)

Wirken und Aufnahme der Künstlerinnen an der Académie Royale de Peinture et de Sculpture 1648–1793

 

Sarah Salomon M.A. (Berlin)

Handlungsräume von Berufskünstlerinnen jenseits der Académie royale de peinture et de sculpture in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts

 

18.00 Uhr

Abendessen und Beisammensein im Stiftskeller

 

 

SONNTAG, 20. März 2016

 

9.00-10:30 Uhr

Ph. D. Jutta Gisela Sperling (Professor of History, Hampshire College)

Das allegorische Stillen alter Väter und Mütter in der Kunst von Angelika Kauffmann (1741-1807), Isabella dal Pozzo (+ 1700) und Isabella di Borbone (1741-63)

 

Dr. Justus Lange (Leiter der Gemäldegalerie Alte Meister, Museumslandschaft Hessen Kassel)

Anna Dorothea Therbusch, ein sehr spannendes Gemälde des Schülers mit seiner Lehrerin / Schwiegermutter

 

10.30 Uhr

Kaffeepause

 

10:45 – 12.45 Uhr

Dr Sabine Wieber (Lecturer in History of Art, School of Culture and Creative Arts, Glasgow)

Martha Vogeler and the Worpswede Artists’ Colony, 1894-1914

 

Dr. Elena Korowin (Freiberufliche Kunsthistorikerin, Baden-Baden und St. Petersburg)

Amazonen, Schwestern oder einfach Genossen? Die Gewichtung der russischen Avantgardistinnen in der Künstlerinnenforschung

 

Dr. Tobias Lander (Lehrbeauftragter, Universität Freiburg i.Br.)

Genderdekonstruktion bei Artemisia Gentileschi und Tracey Emin

 

Ca. 13.00 Uhr

Mittagessen, Tagungsende, Abreise

 

 

Leitung

Dr. Birgit Ulrike Münch, Trier

Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke, Trier

Dr. Markwart Herzog, Irsee

Dr. Sylvia Heudecker, Irsee

Programm und Plakat zum download
Künstlerinnen Flyer.pdf.pdf
PDF-Dokument [3.9 MB]
Künstlerinnen Plakat.pdf.pdf
PDF-Dokument [2.6 MB]
(Ausschnitt aus „Bildstörung“, 2003; siehe: http://www.weiss-leder.de/)

Call for paper

 

1687 konstatiert François Fénelon in seiner Schrift zur Mädchenerziehung („De l’éducation des filles“): ,,Der weibliche Geist ist in der Regel schwächer und neugieriger als der der Männer. Auch wäre es nicht zweckmäßig, sie in Studien einzuführen, welche ihren Kopf ganz einnehmen könnten. […] Auch die mechanischen Fertigkeiten sind größtenteils für sie ungeeignet.“

 

Genderforschung im Bereich des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit wird seit Jahren intensiv betrieben. Die Theoriebildung des Forschungsansatzes ist weit vorangeschritten, dagegen erweist sich die Beschäftigung mit konkreten Beispielen von Künstlerinnen, Werkstattmitarbeiterinnen bzw. Werkstattleiterinnen als weit weniger produktiv. Zwar fanden einzelne Persönlichkeiten wie Artemisia Gentileschi, Sofonisba Anguissola oder Properzia de’ Rossi – der Vasari als einziger Frau eine eigene Vita widmete – große Aufmerksamkeit; damit ist die „Suche“ nach bislang unbekannten Künstlerinnen aber sicher nicht abgeschlossen. Schon vor über vierzig Jahren fragte Linda Nochlins: „Why Have There Been No Great Women Artists“? Nochlin legte damals die kulturellen Praktiken offen, die Künstlerinnen zu einem „Sonderfall“ degradierten und „unsichtbar“ machten. Bis heute ist im Bereich der Künstlersozialgeschichte vor allem die anonyme Künstlerinnenpersönlichkeit ohne klare Konturen geblieben.
 Um sich des hochinteressanten Themas der vormodernen Künstlerin anzunehmen, ist eine Erweiterung des Spektrums vonnöten. Der Begriff der Künstlerin schließt im Rahmen dieser Tagung erstmals sämtliche Sparten innerhalb des künstlerischen Schaffens ein: Neben (fürstlichen) Diletantinnen oder Werkstattmitarbeiterinnen gab es etwa zahlreiche Witwen, die die Werkstatt oder die Druckerei nach dem Tod des Künstlers mitunter jahrzehntelang alleine führten. Darüber muss – um ein weiteres Beispiel zu nennen – der Begriff der „Muse“ neu definiert werden, da er noch immer einseitig sexualisiert ist und die betreffende Frau dazu degradiert, nur die Sinne des Künstlers anzusprechen. Erst spät im 20. Jahrhundert manifestiert sich hier eine tiefgreifende Veränderung. Lange hat es etwa gedauert, bis – um nur ein Beispiel zu nennen – der Konzeptkünstler Christo seine Frau als gleichberechtigte Künstlerin bezeichnete und Jean-Claude nicht mehr allein als Muse degradiert worden ist. Viele sogenannte Musen haben vermutlich in einer Art gleichberechtigtem Schaffensprozess einen aktiven Part übernommen und als Künstlerin „an seiner Seite“ dem Werk des Künstlers zentrale Impulse gegeben. Zudem muss man davon ausgehen, dass Frauen, die etwa in höfischen Kreisen bereits im Spätmittelalter oftmals belesener waren als Männer, als gebildete Ratgeberinnen weitaus stärker in künstlerische Prozesse einbezogen waren als bislang angenommen.

Neben den wichtigen Annäherungen in Form von Analysen einzelner Künstlerinnen möchte die Tagung sowohl bezüglich des Begriffs „Künstlerin“ ein breites Spektrum abbilden als auch Ausblicke in die Moderne zulassen. Dabei liegt auf der Kunst der Frühen Neuzeit ein Schwerpunkt. Genderwissenschaftliche Methodenreferate sind ebenso willkommen wie (Neu)-Definitionen von Begriffen sowie Referate zur Fach- und Wissenschaftsgeschichte bzw. zur Rolle der Künstlerinnen in der Ausstellungsgeschichte, im Herausbildungsprozess eines kunsthistorischen Kanons bzw. ihrer (vermeintlichen) Verortung innerhalb der Gattungshierarchie.

 

Abstracts für bislang unpublizierte Beiträge (max. 2.000 Zeichen incl. Leerzeichen) können in deutscher oder englischer Sprache zusammen mit einem kurzen Lebenslauf und gegebenenfalls einer Auswahl einschlägiger Publikationen bis zum 31. August 2015 gesendet werden an Dr. Birgit Ulrike Münch M.A., E-Mail: kfi@uni-trier.de

 

Das Kunsthistorische Forum Irsee ist eine Kooperation zwischen der Schwabenakademie Irsee (Dr. Markwart Herzog, Dr. Sylvia Heudecker) und artifex (Dr. Birgit Ulrike Münch, Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke; Universität Trier).

 

Das 2012 gegründete Kunsthistorische Forum Irsee konzipiert jährlich Frühjahrsakademien. Diese Tagungen widmen sich dem Forschungsfeld „Künstler und Gesellschaft“. Das Kunsthistorische Forum Irsee bietet einen inner- wie interdisziplinären Forschungsrahmen. Es zielt darauf, genuin kunsthistorische Forschungsansätze mit sämtlichen Disziplinen, Methoden und Fragestellungen der (historischen) Kulturwissenschaften zu verbinden. Zu einem spezifischen Thema wird jährlich in einem Call for Papers um Beitragsvorschläge gebeten. Der wissenschaftliche Nachwuchs, das heißt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Promotionsphase und der Post-doc-Phase, soll dabei in hohem Maß einbezogen werden. Das Forum verfolgt zugleich das Ziel, Themen wissenschaftlich aufzubereiten, die aktuell in der Gesellschaft diskutiert werden, um innovative wissenschaftliche Ansätze in die Öffentlichkeit zu bringen. Die Ergebnisse einer Frühjahrsakademie sollen jeweils in einem Tagungsband im Michael Imhof Verlag (Petersberg) veröffentlicht und auf der jeweils folgenden Frühjahrsakademie präsentiert werden.

 International Conference, Irsee, 18–20 March 2016 Women Artists – New Perspectives on the Research Area of the Pre-Modern Era

Call for paper

 

In 1687 François Fénelon stated in his treatise on the education of girls (“De l’éducation des filles”): “Women in general have feebler minds than men and are more curious than men. Would it not also be purposeful to introduce them to studies which could occupy their minds completely. (…) Mechanical skills are for the most part unsuitable for them.”

Gender research in the field of the Late Middle Ages and the Early Modern Era has been conducted extensively for many years. Theory formation of the research approach has advanced greatly; in contrast, concern with concrete examples of women artists, female studio employees or female heads of studios has proven to be much less productive. It is true that individual personalities such as Artemisia Gentileschi, Sofonisba Anguissola or Properzia de’ Rossi – the only woman to whom Vasari dedicated a biography of her own – have received great attention; but the ‘search’ for hitherto unknown women artists has surely not been concluded. Even more than forty years ago, Linda Nochlins asked: “Why Have There Been No Great Women Artists?” Nochlin revealed the cultural practices which degraded women artists to ‘special cases’ and rendered them ‘invisible’. Up to the present, especially anonymous women artist personalities have remained without clear contours in the field of the social history of the artist. To take on the highly interesting topic of the pre-modern woman artist, we must expand the spectrum. This conference will include for the first time the term ‘woman artist’ in all of the aspects of artistic creativity: Along with (princely) dilettantes or studio employees there were, for example, numerous widows who single-handedly conducted the workshop/studio or the printing business after the death of the artist, sometimes for decades. Furthermore, to name an additional example, the term ‘muse’ must be redefined as it is still one-sidedly sexualised, and the woman concerned is degraded to exclusively inspiring the senses of the male artist. A profound alteration became manifest only late in the 20th century. To name only one example, it took a long time before the concept artist Christo named his wife as an artist of equal rank and Jean-Claude was no longer degraded simply as the muse. Many so-called muses have presumably taken an active part in a creative process as a kind of equal partner and as artist ‘at his side’, giving the male artist’s work important incentives. Moreover, it must be assumed that, as early as the Late Middle Ages, women in court circles, for example, were often more literate than men and were more greatly involved as educated advisors in artistic processes than has previously been thought.

In addition to the important approaches in the form of analyses of individual women artists, the conference wishes to portray both a broad spectrum concerning the term ‘woman artist’ as well as to open up perspectives into the modern. The emphasis here will be placed on the art of the Early Modern Era.

Papers on the methods of gender studies are welcome as are (new) definitions of terms as well as papers on art history and scholarship history, including the role of women artists in the history of exhibitions, the development of an historical art canon or its (presumed) positioning within the genre hierarchy.

 

Abstracts for hitherto unpublished articles (max. 2,000 characters, including spaces) in German or English can be sent together with a brief CV and, if applicable, a selection of related publications to Dr. Birgit Ulrike Münch M.A., email: kfi@uni-trier.de by 31 August 2015.

 

The Irsee Art History Forum will be conducted in cooperation with the Schwaben Academy Irsee (Dr. Markwart Herzog, Dr. Sylvia Heudecker) and artifex (Dr. Birgit Ulrike Münch, Dr. Andreas Tacke, Professor, both of the University of Trier).

 

Founded in 2012, the Irsee Art History Forum organizes annual Spring Academies. These conferences are devoted to the research area “the artist and society”. The Irsee Art History Forum offers an intra- and interdisciplinary research framework. Its goal is to combine research approaches to serious art history in all disciplines, methods and questions of (historical) cultural scholarship.
Calls for papers on specific topics are tendered annually, with a high percentage of young academics being drafted, that is, academics in the doctoral phase as well as the post-doctoral phase. Moreover, the forum aims to develop academic topics which are currently being discussed in society, so that innovative scholarly approaches are conveyed to the public.

Along with holding the annual Spring Academies, we have set a goal of always publishing the conference results. The results of a Spring Academy are to be published by the Michael Imhof Publishing Company (Petersberg) and presented in the respective following Spring Academy.

Zwei Postkarten (I. Versuch, 15. Mai [2007], 23:14 h und II. Versuch, 16. Mai, 11:53 h) von Ute Weiss-Leder an Prof. Dr. Dr. Andreas Tacke mit der Abbildung ihrer Arbeit „Bildstörung“, 2003; signiert auf der zweiten Postkarte „Weiss-Leder 03/07“